Damit unser Wagen uns in zwei Wochen auch wieder sicher den Berg hinunterbringt, wurde heute morgen erst einmal eine „Puja“ (eine Art Opfergabe/Segnung) gemacht. Dafür wurde ein Stück Stoff feierlich um die Stoßstange gebunden, die Motorhaube aufgeklappt und auf jeden Reifen eine Blüte gelegt. Zudem wurde vor dem Auto eine Banane als Opfergabe niedergelegt und ein Räucherstäbchen angezündet – ob der Wagen auch noch ein Tikka bekam konnte ich leider nicht sehen- im Zweifelsfall ja 🙂 Dieses Ritual kann heute übrigens mit allen metallenen oder elektronischen Geräten vollzogen werden, unser iPad war leider nicht rechtzeitig da um sich für zukünftigen guten WLAN Empfang segnen zu lassen.
Nachdem uns der Regen heute wieder die ganze Nacht lang ein Schlaflied aufs Wellblechdach geprasselt hatte, klarte es gegen Mittag tatsächlich ein wenig auf, sodass unsere Truppe sich entschloss, einen kleinen Ausflug ins Dorf zu machen und Bishnus und Yam Lhals Familie zu besuchen. Der Ziegenstall vor deren Haus war vor kurzem einem Erdrutsch zum Opfer gefallen, die Ziegen konnte glücklicherweise noch kurz vorher um 3 Uhr nachts herausgeholt werden und auch keinem der dort lebenden Personen ist etwas passiert. Trotzdem ist es natürlich eine ständige Angst der Dorfbewohner, deren Häuser am Hang liegen und die nicht wie unser Health Care Center durch eine massive Mauer vor den in der Monsunzeit möglicherweise abgehenden Schlammmassen geschützt sind, dass beim nächsten Erdrutsch ein Teil ihres Hauses zerstört wird oder mit den Hang hinunter gerissen wird. Die Straße, über die vor einem Jahr noch ein Jeep bis zum Center hochfahren konnte ist jetzt an manchen Stellen nur noch ein schmaler Pfad, und es sieht aus als würde es Jahre dauern, bis diese wieder von Autos befahrbar sein wird. Wir wurden natürlich vor unserer Abfahr von den hier in Banjhakateri lebenden Mitarbeitern über die Straßenverhältnisse informiert und konnten die wählen, die noch bis hier oben befahrbar war.
Als wie bei Bishnus Haus ankamen, war die ganze Familie versammelt in der sich zu einem kleinen Hinterhofplateau mit Blick auf die grandiose Berglandschaft öffnenden hinteren Hälfte des Hauses. Die jüngeren Frauen stürzten nach der Begrüßung sofort in die Küche; es ist üblich, Gästen Tee und eine Kleinigkeit zu essen zu servieren. Hier gibt es mittlerweile einen „rauchfreien Ofen“, der den Qualm vom eigentlich ständig brennenden Feuer über einen kleinen geschlossenen Abzug nach oben bis zum Dach ableitet und somit nicht wie in noch vielen Häusern das ganze Zimmer und seine Insassen miträuchert. Vielen unserer Patienten haftet dieser typische Qualmgeruch an und man kann sich vorstellen was es mit den Lungen eines Menschen anstellt, wenn er von Geburt an dieser Rauchbelastung ausgesetzt ist.
Der Großvater sitzt mit seinem jüngsten Enkel auf einer Art Bett im Hinterhaus, die älteren Frauen und Kinder sitzen auf dem Boden oder kleinen geflochtenen Schemeln und man plaudert. Wir bekommen frisch aufgeschnittene Gurken mit Chiligewürz serviert, wie wir festgestellt haben ein typischer „Snack“ der zwischendurch oder vor dem Essen gereicht wird. Danach natürlich noch eine Runde Tee. Im Stall nebenan mampfen 3 Wasserbüffel Heu und die drei Ziegen starren unserer Gruppe aus ihrem neuen Stall neugierig hinterher. Die vor kurzem erst neu gekaufte Ziege ist noch immer nicht trächtig-ein Ärgernis! Leider kann man sie nicht mehr umtauschen!
Der nächste Stop ist das Haus von Yam Lhals Familie. Er ist ein junger Mann aus Banjhakateri, der derzeit seine Ausbildung zum Medical Assistant in Kathmandu macht und vor kurzem seine erste Prüfung abgelegt hat – die Ergebnisse gibt es aber erst in einem halben Jahr! Auch hier sind viele Familienmitglieder allen Alters und einige Nachbarn versammelt und auch hier lässt man uns nicht gehen, ohne uns zu füttern, obwohl die Leute hier alles andere als im Überfluss leben. Man fühlt sich schon schlecht, wenn die Frauen ein Tellerchen nach dem anderen servieren und man unsicher ist, ob es jetzt unhöflicher ist abzulehnen oder ob die Familie am Ende nur ein Drittel ihres Abendessens hat wenn man annimmt. Besonders weil die Frauen erst essen werden, wenn jeder andere in der Familie seinen Anteil bekommen hat.
Zunächst gibt es wieder eine Tasse Tee, wie überall aus den typischen Metallbechern, die so verdammt heiß werden wenn man sie mit kochendem Tee füllt sodass man eine halbe Stunde erst mal nichts daraus trinken kann ohne sich die Lippen zu verbrennen. Danach wird ein über dem Feuer gerösteter Maiskolben nach dem anderen gereicht. Diese hängen hier nach der Ernte in großen Bündeln unter dem Dachüberstand vor fast jedem Haus, wo sie, geschützt vor der Witterung, trocknen können und haltbar bleiben. Diese werden dann ins Feuer gelegt bis die Körner braun werden, manche springen auch schon auf, sodass man eine Art „Popcorn am Stiel“ erhält – lecker lecker!
Zum zweiten Gang gibt es dann ein Schälchen gewürztes Gemüse und einen nepalesischen „Black Forest Cake“ – eine Art Pfannkuchen aus schwarzem Getreide, das wohl sehr eisenreich sein soll und somit eine Art natürliche Anämietherapie ist, und viel Zimt. Dazu noch einen süßen Brei aus – keine Ahnung was 🙂 Viele der Gemüsesorten hier haben wir noch nie gesehen und können die nepalesischen Namen daher nicht ins Deutsche übersetzen. Zum Beispiel wachsen hier riesige, kürbisgroße und fast ebenso dicke Gurken an hohen Bäumen und es gibt eine Vielzahl spinatähnlicher grüner leicht bitterer Gemüse, die oft als Beilage zu Dal Bhat gereicht werden. Entgegen unserer Erwartung bekommen wir im Medical Center übrigens nicht dreimal täglich Dal Bhat sondern eine sehr abwechslungsreiche Kost! Zum Frühstück gibt es Omelette, Alu Paratha (eine Mischung aus Kartoffelreibekuchen und Fladenbrot), Chapati (flaches Pitabrot) und heute morgen selbst gebackenes „europäisches“ Brot aus dem kleinen Ofen, den einer der Ärzte in der Vergangenheit mitgebracht hatte. Mittags gibt es natürlich Dal Bhat, Reis (Bhat) mit einer Art dicken Linsensuppe (Dal) als Beilage, das mit einer Art Curry, zB aus Kartoffeln oder Kürbis und einer weiteren kleinen Gemüsebeilage serviert wird. Fleisch kommt in Nepal sehr selten auf den Tisch, eine Ausnahme ist die Festivalsaison Dashain, während der an einem Tag im ganzen Land mehrere Tieropfer dargebracht werden, die in den darauf folgenden Tagen in diversen Zubereitungen verzehrt werden. Abend hat man sich hier ein wenig auf die deutschen Besucher eingestellt und es gibt ab und zu Nudeln mit Yakkäse oder Ei, gebratenen Reis mit Gemüse etc. Zum Würzen steht immer ein Schälchen grüne Chilis und ein Glas „Pickle“ auf dem Tisch. Die hiesigen „Pickles“ sind nicht zu verwechseln mit dem was wir unter eingelegten Gürkchen oder Silberzwiebeln kennen. Es handelt sich um sehr pikant bis höllisch scharf eingelegtes Gemüse und Obst, vllt eher zu vergleichen mit einem Chutney, das in großen Gläsern überall verkauft wird und endlos haltbar zu sein scheint. Wenn einem in Banjhkateri der Sinn nach ein paar Cookies, einem Bier oder local Rum steht verkauft der Krämer hier allerhand „Luxusgüter“.
Liebe Cathrin,
du solltest Reiseberichterstatterin werden ! Deine Berichte sind so interessant und lebendig geschrieben ,dass ich das Gefühl habe dabei zu sein.
Ich wünsche euch noch viele schöne Begegnungen, wenn auch manche Aufgrund der Umstände ,Armut und Krankheiten , auch manche bedrückend sein werden.
Noch eine gute ! Zeit , weniger Regen,dafür mehr Sonne und anständige Strassen !!