Auch diese Woche war es aufgrund der zahlreichen Feierlichkeiten im August im OPD ziemlich ruhig. Da mittwochs wie immer der Beleg-Kardiologe das OPD 11 okkupierte und wir uns nicht zu fünft in das kleine Zimmer 10 quetschen wollten, fragten wir die Pädiater, ob wir sie mittwochs bei ihrer Visite und der anschließenden Sprechstunde begleiten konnten.
Wenn wir nächsten Monat in Gulmi sind werden wir dort die einzigen beiden Ärzte sein und die Option „Weiterleiten zur Pädiatrie“ wird es nicht geben. Daher wollten wir unsere nun mittlerweile mindestens 5 Jahre zurückliegenden Kenntnisse in diesem Fach zumindest in sofern auffrischen, dass wir einmal sehen welche Krankheitsbilder uns häufig begegnen würden. Die App zur Dosisberechnung diverser Medikamente und Flüssigkeitssubstitution beim Kleinkind ist natürlich schon heruntergeladen 🙂
Schon während der Visite fiel auf, dass die Pädiater deutlich mehr Patienten hatten als die Internisten oder gar Chirurgen (ein einsamer Patient mit externem Fixateur lag im Orthopädie-Ward umgeben von zig hustenden Omis und quäkenden Babies). Erschreckend viele der (teils wirklich noch sehr jungen) Kinder litten an Lungenentzündungen, viele von ihnen hatten auch schon ambulant verschiedene Antibiotika erhalten, sodass nun nur noch die Option zur intravenösen Therapie bestand. Auch die NeugeborenenIntensivstation – ein beengtes kleines Zimmerchen mit 5 Betten- war voll. Erfreulicherweise waren aber 3 der kleinen Patienten Babies mit einer relativ harmlosen Neugeborenengelbsucht und mussten lediglich auf der Intensivstation sein, da dort die Blaulichtlampen zur Verfügung stehen, unter denen sie liegen müssen. Wir haben zwar beide bisher in Deutschland noch nie auf der Pädiatrie gearbeitet, ich kann mir aber kaum vorstellen, dass dort selbst im Winter zur Hochsaison der Atemwegserkrankungen so viele Babies mit Lungenentzündungen liegen. Auch im OPD der Pädiater herrschte großer Andrang, sodass leider nicht viel Zeit zum Besprechen blieb. Allerdings war es auch schon hilfreich, ein paar Mini-Lungen abzuhören um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie die sich denn normalerweise anzuhören haben und mit der Herausforderung klarzukommen, einen Patienten zu untersuchen, der nicht auf Kommando atmet, einem sagt wo es wehtut oder gar den Mund aufmacht um brav seine Mandeln zu zeigen. Hierzu waren mehr als einmal die starken Hände der Schwester notwendig. Außerdem sind knuffige pausbäckige nepalesische Babies, deren dunkelbraune Augen oft mit schwarzem Kajal umrundet waren und dadurch noch dunkler und größer wirkten, mit Tikka auf der Stirn und in bunte traditionelle Hemdchen gewickelt mit Häubchen auf dem Kopf auch einfach nur viel niedlicher anzusehen als unsere erwachsenen Patienten, sodass auch das reine Zugucken Freude macht 🙂 Wie auch bei den Erwachsenen waren die vorherrschenden Symptome „Fieber und Husten“, allerdings in den meisten Fällen doch nur eine milde Erkältung. Der diensthabende Oberarzt erklärte uns, dass ein großes Problem oft in der mangelnden Aufklärung der jungen Mütter über Hygienemaßnahmen etc im Umgang mit den Neugeboren läge. Viele kommen mit einem kranken Kind und verlangen nach Medikamenten, aber der wichtigste Ansatz wäre, die Eltern in grundlegenden Maßnahmen zu schulen: wie und wie oft soll gestillt werden, wie soll das Kind gewaschen und warm gehalten werden und ähnliches.
Auch dieser Donnerstag war den Kindern gewidmet. Es war der Tag an dem „Janmasthami“ gefeiert wird, die Geburt Krishnas (eine Inkarnation des Gottes Vishnu – ja die ganzen verschiedenen Erscheinungsformen der Götter sind schon etwas verwirrend…) als menschlicher Junge, dem durch seinen Onkel nach dem Leben getrachtet wurde, da diesem prophezeit wurde, dass er vom achten Kind seiner Schwester getötet würde. Auf wundersame Weise konnte das Kind aber gerettet werden und wuchs bei einer Hirtenfamilie auf. Viele Darstellungen und Grußkarten zu diesem Tag zeigen Krishna als wohlgenährtes Kleinkind neben einem umgeworfenen Butterfass (er liebt Butter) und in manchen Regionen türmen sich die Kinder in den Straßen zu menschlichen Pyramiden auf, und versuchen so, ein mehrere Meter hoch aufgehängtes Butterfass zu erreichen. In der vermutlichen Geburtsstadt Krishnas in Indien sind die Festlichkeiten in ihrer Bedeutung wohl vergleichbar mit Weihnachten in Bethlehem.
In Banepa werden zu Janmasthami aber nur die jungen Mädchen gefeiert und verehrt. Sie ziehen durch die Straßen und erhalten von den dort versammelten Gläubigen Süßigkeiten als „Opfergaben“ : traditionell süßes Gebäck, heutzutage auch Schokolade oder Bonbons. Wir wollten uns das Ganze nach der Arbeit einmal ansehen und machten uns auf den Weg ins Stadtzentrum, wo der Großteil der Feierlichkeiten aber bereits vorbei war. Allerdings zogen immer noch große Menschenmengen durch die Straßen, viele kleine Mädchen im besten gold-bunten Kleidchen trugen die Ausbeute des heutigen Tages in großen Plastiktüten mit sich herum.
Die Straßenhändler witterten ihr großes Geschäft und verkauften Stoffe, Hosen, Shampooflaschen und was man sonst so auf dem Weg vielleicht noch kaufen wollte am Straßenrand. Damit die Waren nicht vollends verstauben, werden sie ab und zu mit Reisigbesen abgeklopft. Für die Kleinen gab es Luftballon, Eiscreme auf mobilen Kühlkästen (auf die wir lieber verzichteten) und Masken mit dem Gesicht von Ganesha und Hanuman (der Gott mit dem Elefantenkopf und der Affengott) oder Spiderman.
Nachdem wir das Gewimmel in der Stadt hinter uns gelassen hatten, starteten wir den erneuten Versuch, einen in der Nähe liegenden Tempel zu finden, der auf einem Hügel mit einer wunderschönen Aussicht liegen sollte. Bei unserer letzten Exkursion mit Frank hatten wir diesen nicht gefunden, beim Rückweg aber einen den Hügel hochführenden steilen Schotterweg bemerkt, von dem wir annahmen dass dieser zum besagten Tempel führen würde. Um es kurz zu machen – er tut es nicht! Er führte uns aber durch einen Bambuswald vorbei an einzelnen kleinen Wellblechhütten aus denen entspanntes Muhen drang und Bauernhäuschen hoch genug, um eine schöne Aussicht zu genießen. Nachdem die Dorfjugend und ein Bauarbeiter, sichtlich verwundert darüber, dass sich zwei keuchende und schwitzende Touristen aus Banepa in ihre Siedlung verirrt hatten, uns versichert hatten, einen Tempel gäbe es auch weiter oben auf dem Berg nicht, machten wir uns wieder auf den Rückweg. Das freundliche Angebot eines der Kinder, uns auf seinem Fahrrad, das keinen Sattel mehr hatte und nur auf rohen Felgen fuhr, wieder den Berg hinunterzufahren lehnten wir aber dankend ab. Der Weg hatte sich aber trotzdem gelohnt, denn auf dem Rückweg sprang plötzlich einer der dösenden Straßenhunde auf und schnüffelte an unseren Hosenbeinen – zerfetztes Ohr, fehlendes rechtes Auge – unser Kumpel Frank hatte uns wiedererkannt und freute sich uns zu sehen. Auch wenn wir unser Versprechen ihm unsere aufgetauten Momos aus dem kaputten Kühlschrank vorbeizubringen nicht eingelöst hatten. Heute erfuhren wir übrigens dass es gar nicht um einen Tempel ging, den wir uns unbedingt angucken sollten, sondern eine Art Aussichtsturm, der sich auf einem der umliegenden Hügel befinden soll. Wir werden sehen ob wir diesen während unserer Zeit hier noch finden…