Samstag, der freie Tag in der 6-Tage Arbeitswoche der Nepalesen, fällt passenderweise genau auf den von Sonnenuntergang am Freitag bis Sonnenuntergang am Samstag andauernden Sabbath der 7th Day Adventists, sodass im Krankenhaus heute nur Notfallbereitschaft herrscht und wir in den Genuss eines freien Tages kommen.
Unsere Kolleginnen hatten sich schon gestern Mittag verabschiedet und den Staff Bus nach Kathmandu genommen, um den heutigen Tag mit ihren Familien zu verbringen und wir hatten vor, uns das nahegelegene Dhulikhel anzusehen. Von dort sollte es einen schönen Wanderweg zu einem buddhistischen Kloster und Heiligtum geben, der jedoch 2-4 Stunden Zeit in Anspruch nimmt, sodass wir auf diesen heute verzichteten und uns mit einem kleinen Ausflug zu einem nahe des Stadtzentrums von gelegenen Shiva-Schrein begnügten. Der Weg hierhin führte und vorbei an den üblichen Rudeln dösender Straßenhunden (kein Wunder dass diese nachts so aktiv waren wenn sie den ganzen Tag verschliefen!) und dem Fußballfeld mit der wohl schönsten Panoramaaussicht.
Die Treppe hinunter zum Shiva Schrein war gesäumt von zahlreichen Lingams und Yonis (Repräsentationen der männlichen und weiblichen Energie in – zwar stilisierter aber dennoch gut erkennbarer – Form der männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane). Um den Schrein selbst hatte sich bei unserer Ankunft gerade eine große Gruppe von Gläubigen eingefunden, um dort, wie uns ein in rote Tücher und Turban gehüllter, bärtiger, hagerer Mann erläuterte, in den nächsten 3 Tagen zu Ehren von Shiva zu beten.
Wer genau dieser Mann war, darüber spekulieren wir noch. War er ein für diesen Schrein zuständiger Priester? Ein einfacher Gläubiger der mit den anderen heute dort hingekommen war? Einer der Sadhus, der das ganze Land und weite Teile Asien durchwandernden und von Spenden lebenden Hindu-Asketen? Diese hatten auf den Fotos die wir bisher gesehen hatten jedoch mit ihren langen Rastazöpfen und gelben Gewändern anders ausgesehen, vllt waren diese aber auch für die Kameras der Touristen speziell in Schale geworfene Vertreter seiner Zunft gewesen. Er berichtete in gebrochenem Englisch von seinen Reisen in die asiatischen Nachbarländer, wir in zertrümmertem Nepalesisch von unserer Arbeit im Krankenhaus. Irgendwann begann er von „collections“ zu erzählen und ab und zu fielen die Worte „10 or 20 rupees“ und wir waren unschlüssig, was er nun damit meinte. Wenn er einer der Sadhus war, wäre es vermutlich angemessen ihm eine Spende zu geben, zudem waren wir natürlich auch bereit, eine Spende für den Schrein hier zu lassen. Als wir ihm aber ein wenig Geld geben wollte, winkte er ab und bat uns einen Moment zu warten. Er ging in eine kleine, über dem Tempel gelegene Wohnung, wo, wie wir vermuteten eine Spendenbox für den Tempel aufbewahrt wurde, wie wir es aus Bali kannten und wir nahmen an, dass er diese holen wollte. Er aber kam mit einem Block zurück, in dem er einige seiner Zeichnungen der umliegenden Berge und des vor uns liegenden Shiva Schreines aufbewahrte. Ob er nun hier stolz sein Hobby mit uns teilte oder diese zum Verkauf anbot konnten wir nicht einschätzen. Zudem präsentierte er eine Kollektion bestehend aus 3 ausländischen Gelbscheinen aus dem Königreich Bhutan, Taiwan und einer weiteren Nation die mir entfallen ist. Wir bedauerten, keine Euros dabei zu haben um diese seiner Sammlung hinzuzufügen und waren immer noch nicht sicher, ob wir ihm nun eine Spende geben sollten oder nicht. Er schien keine Rupienschein in die Hand nehmen zu dürfen oder wollen, akzeptierte aber, dass dieser in seine Bildersammlung hineingelegt wurde.
Immer noch unsicher, ob wir nun das getan hatten, was von uns in der Präsenz eines heiligen Mann erwartet wurde oder ob wir gerade einen regulären Pilger mit einer Geldspende beleidigt hatten machten wir uns auf den Rückweg, um in einem der vom spektakulären Bergpanorama profitierenden Hotels in Dhulikhel zu Mittag zu essen. Auf der Aussichtsterasse des Hotelrestaurants vom „Himalayan Horizon“ gönnten wir mit Macaroni and Cheese und als Hühnchen verkleideter frittierter Hühnerbrust unserer Magenschleimhaut eine Pause vom köstlichen aber doch wirklich sehr scharfen nepalesischen Essen (kein Wunder das jeder zweite Patient im OPD über brennenden epigastrischen Schmerz klagt und Pantozol verschrieben bekommt!!).
Auf meinen heißersehnten Kaffee musste ich jedoch verzichten, da die Kaffeemaschine kaputt und zur Reparatur auf dem Weg nach Kathmandu war 🙂