Bereits seit einigen Tagen angekündigt, sollte am Mittwoch Abend eine externe Fortbildung mit anschließendem Dinner im Dhulikhel Lodge Resort stattfinden. Bis Dienstag Nachmittag stand jedoch noch nicht fest, wer den Vortrag halten sollte und um welches Thema es sich handeln sollte. Auch wurde am Mittwoch morgen noch darüber spekuliert, wie die Ärzteschaft nach Dhulikhel gelangen sollte – würde der Staff Bus fahren? Sollten wir uns mehrere Taxen teilen? Wann genau sollte es eigentlich nochmal losgehen?
Wir beschlossen, einfach mal um 17:30 vor dem Krankenhaus zu warten und zu schauen was passiert. Dort trafen wir auf ein paar unserer Kollegen und erfuhren, dass der Staff Bus organisiert worden war und uns zum Resort bringen würde. Den Vortrag zum Thema „Myokardinfarkt“ hielt der Beleg-Kardiologe, der jeden Mittwoch im Scheer Memorial seine Echokardiographien durchführt und kardiologische Konsile beantwortet und sonst im Norvic Hospital, einem großen internationalen Privatkrankenhaus in Kathmandu tätig ist.
Der Vortrag war – wie der Name schon erwarten ließ – wenig mitreißend. Wir nahmen mit dass ein Myokardinfarkt ein potentiell tödliches Ereignis ist und daher schnell behandelt werden muss. Interessant war aber zu erfahren, dass in der vermutlich größten nepalesischen kardiologischen Klinik 13 Myokardinfarkte im Monat bereits eine wahnsinnig hohe Zahl darstellten und dass die Loading-Dose für ASS (300 mg) sich von unserer unterscheidet und noch eine Lysetherapie durchgeführt wird. Die unterschiedlichen, in der Regel niedrigeren Standarddosierungen, für verschiedene Medikamente waren uns auch im klinischen Alltag schon aufgefallen. Bedingt ist dies vermutlich durch die Tatsache, dass der nepalesische Durchschnittspatient eben nicht 90-110 kg wiegt, sondern die auf den Aufnahmebögen verzeichneten Gewichte eher um die 40 kg rangieren. Amüsant war auch der Verweis auf die gängigen Medikamente zur Behandlung der Herzinsuffizienz, komplett mit Handelsnamen und Markenlogo am Ende des Vortrages sowie der überschwängliche Dank der Pharmareferenten für den Vortrag und die Gelegenheit zu diesem Treffen. Damit war der offizielle Teil des Abends – nach ungefähr 20 Minuten – nun auch beendet und man widmete sich der Geburtstagsfeier eine Kollegin, für die extra eine Fotoshow zusammengestellt worden war. Zudem gab es Snacks und Getränke auf der Aussichtsterasse des Resorts.
Schon von Anfang an schallten indische Popmusik und Disco-Dance-Techno-Versionen älterer Top-10-Hits aus den Lautsprechern, Handykameras blitzten zum Selfie mit diversen Kollegen und – durch unsere jüngeren Kollegen bereits angekündigt – wurde auch das ein oder andere (vielleicht auch das ein oder andere zuviel) Bier konsumiert. Einer der pädiatrischen Oberärzte kündigte schon zu Beginn des Abends seine Absicht an, mir auf der Tanzfläche seine Bauchtanzkünste präsentieren zu wollen und setzte – einige inspirierende Getränke und mehrfache Absicherungen bei Morzl, ob dieser es denn billigen würde wenn er mit seiner Frau tanze, später – seinen Plan auch zielstrebig in die Tat um. Widerstand war zwecklos – mein Mann hatte ja schon eingewilligt 😉 – und so gab es eine Tanzeinlage im Blitzlichtgewitter der Handykameras, während welcher Morzl ebenfalls mehrfach von den anderen Kollegen gefragt wurde, ob es für ihn WIRKLICH ok wäre! Seine Chance auf einen Ausgleichtstanz mit Pratisha (womit er deutlich besser abgeschnitten hätte als ich!) zum Trost nahm er übrigens nicht wahr – wo ihn doch sonst nichts von der Tanzfläche abhalten kann 😛
Bevor der tanzwütige Pädiater noch andere Opfer finden konnte wurde glücklicherweise das Essen serviert und die Feier verlagerte sich ins Restaurant. Über den Rest des Abends herrscht ärztliche Schweigepflicht, es lässt sich aber sagen, dass er für den nüchternen Beobachter des Abends (uns) noch recht unterhaltsam war – und die Mythen zum Thema Alkoholverträglichkeit der Asiaten zu stimmen scheinen.
Am Donnerstag war wieder ein Feiertag, der immer auf einen Vollmond fallende [Raksha Bandhan](http://de.wikipedia.org/Wiki/Raksha_Bandhan/), an dem besonders die Brüder geehrt werden und von ihren Schwestern kunstvoll verzierte Armbänder umgebunden bekommen. Brüder in weit entfernten Städten gehen übrigens nicht leer aus sondern erhalten ihre Segenswünsche ganz modern über ein WhatsApp-Bild. Aus diesem Grund herrschte heute – wie auch während des letzten Feiertages – Ebbe im Outpatient Department und nachdem die Ereignisse des Vorabends zu genüge Revue passiert gelassen worden waren, saßen Morzl, Pratisha, George und ich ein wenig gelangweilt im OPD 11 herum und überlegten, wie man die Stunden bis zur Mittagspause noch verkürzen könnte. Das nächste erreichbare Kartenspiel war zu weit entfernt, aber George schlug vor, [Bhag Chal](http://de.wikipedia.org/wiki/Bhag_Chal/) zu spielen. Dieses mit „Tigersprung“ oder „Tiger und Ziegen“ übersetzte Spiel wird in vielen Reiseführern als „Nationalspiel“ Nepals beschrieben, was unsere Kollegen nicht voll bestätigen konnten, zumindest aber hatte jeder von Ihnen es schon mal gespielt. Zwei Spieler spielen mit je entweder 4 Tigern oder 20 Ziegen gegeneinander, wobei die Tiger versuchen müssen, durch überspringen einer Ziege diese zu „fressen“ (insgesamt 5 Ziegen um zu gewinnen). Die Ziegen wiederum versuchen, durch Einkreisen der Tiger und somit Einschränkung der Bewegungsfreiheit dieser die Tiger zu „fangen“. Das Spielfeld war schnell gezeichnet und Tiger und Ziegen hätten wir uns schnell basteln können, doch der Play Store hatte sogar eine Handyversion des Spieles zur Verfügung, sodass der Nachmittag dann doch noch schnell verging 🙂