Nach der Fortbildung am Mittwoch erzählte uns der Urologe des Krankenhauses, dass in Bhaktapur am Freitag ein großes Fest stattfindet. Wir nahmen also Kontakt zu Raja auf und wollten uns das ansehen.
Zuvor trafen wir am Donnerstag Abend noch R., den einzigen Anästhesisten des Krankenhauses, nachdem wir in der Kantine essen waren. Er lebt mit seiner Frau K. auch hier auf dem Krankenhausgelände und führte uns freundlicherweise durch den OP-Trakt. Es ist wirklich interessant, wie er hier versucht einen sauberen – besser noch sterilen – OP-Trakt zu erhalten, wenn man bedenkt, dass viele Nepalesen keinen Zugang zu fließendem Wasser haben. Insgesamt scheint er das aber in dem OP-Trakt sehr gut hinzukriegen. Ständig wies er uns auf Risse in der Innenfassade hin – die noch vom Erdbeben herrühren.
R. ist, wie gesagt, der einzige Anästhesist hier. Wie das funktionieren soll, kann ich nicht ganz verstehen. Es ist aber so. Vor ein paar Jahren brach er sich eine Hand, was natürlich kein Grund ist, nicht zur Arbeit zu kommen. Wenn er einen freien Tag hat, dann übernimmt der Anästhesietechniker. Es werden dann keine großen Operationen mit Vollnarkose geplant und gehofft, dass auch keine Notfälle dazwischen geschoben werden müssen. Sollte dies doch passieren, muss R. irgendwie wieder ins Krankenhaus gebracht werden. Tatsächlich eine mehr schlechte als rechte Lösung. Ein weiterer Anästhesist wird gesucht – aber bisher nicht gefunden.
Gai Jatra
Am Freitag also ein erneutes Fest. Bereits in der Morgenbesprechung würden wir darauf hingewiesen, dass wahrscheinlich wieder wenig Patienten kommen werden. Dem war nicht so, aber wir bekamen davon nicht so viel mit. Der Freitag geht wie bereits erwähnt nur bis 13 Uhr. Zuvor mussten sich die Hausmeister um unseren “neuen” Kühlschrank kümmern. Dieser kam am Mittwoch geschoben durch sechs Nepalesen in unserer Küche an, wurde anschließend geputzt und funktionierte, nachdem wir ihn nach etwas Wartezeit eingestöpselt hatten, nicht. Also erneut Hausmeister am Freitag bestellt. Diese gucken sich dann alle Rädchen an und drehen hin und her und stellen dann fest, dass unsere Erstdiagnose “Kühlschrank funktioniert nicht” tatsächlich der Wahrheit entspricht. Dann wird überlegt ob wir einen “neuen neuen” kriegen oder man den repariert. Es wird entschieden, dass wir einen neuen kriegen und nach einiger Wartezeit erfahren wir, dass am Sonntag, wahrscheinlich gegen 9 Uhr, der jetzige “neue” repariert wird. Wir werden sehen was passiert…
Nachdem wir also statt Patienten einen Kühlschrank – nicht – geheilt hatten, stiegen wir in den Klinikbus, der die Kollegen Richtung Kathmandu bringt. Auf halber Strecke stiegen wir in Bhaktapur aus um Raja zu treffen. Leider mussten wir erneut 2×15 EUR Eintritt für die Altstadt bezahlen, da anders als man es uns beim letzten Mal versicherte, die alten Tickets nicht mehr gültig sind. Nach einiger Aufregung über die Tatsache 60 EUR für den Zutritt zu einem Platz zu bezahlen, versuchten wir uns durch die Massen an Menschen und Motorollern zu winden. Das letzte Mal war Bhaktapur leer, vielleicht 200 Leute im gesamten Stadtgebiet verteilt. Heute war ein ganzes Dorf auf den Beinen, gefühlt 5000+ Menschen. Wir fanden Raja nach einiger Zeit und zu unserer freudigen Überraschung war auch der immer gut gelaunte Ripu mit seiner Schwester von der Partie.
Gai Jatra ist ein Fest zu Ehren der Verstorbenen Toten des vergangenen Jahres. Es hat also eine ähnliche Bedeutung wie der christliche Totensonntag. Normalerweise schmückt jedes Haus einen Wagen, der von einer Kuh durch die Stadt gezogen wird. Gibt es keine Kuh, tut es auch ein kleiner Junge. Warum nun Kühe? Diese sind heilig und begleiten die Verstorbenen auf ihren Wegen.
In Bhaktapur ist diese Tradition noch etwas anders. Ein Taha Macha, eine Art Statue oder Thron aus Bambusstöcken, wird für jeden Verstorbenen von seiner Familie erbaut. Dieser wird dann mit Foto und Kleidung und Besitztümern des Verstorbenen geschmückt und durch die Stadt getragen. Keine Kühe. Dafür werden auch Kinder als diverse Gottheiten verkleidet und viele Menschen verkleiden sich und albern herum. Eine Geschichte besagt, dass eine Königin nach dem Tod ihres Kindes so betrübt war, dass ihr sie über alles Liebende Ehegatte und König eine Art Wettbewerb ausrief. Die Dorfbewohner sollten ihrer Toten Gedenken und die Königin zum Lachen bringen, aufheitern. Und hier enden dann auch die Gemeinsamkeiten mit dem Totensonntag. Es wurde laut, es war voll, tausende feierten, tanzten, sangen, schlugen mit Stöcken, machten Lärm, spritzten mit Wasserfontänen. Und es wurde RICHTIG laut. Trommeln, Trompeten, noch mehr Trommeln, überall Menschen die mit Stöcken im Takt der Musik gegen den Stock des Gegenübers klopften und dazwischen wir. Auch uns wurden Stöcke überreicht und wir schlugen zwei Stunden lang auf die Stöcke unserer Gegenüber ein.
Bhaktapur Hospital
Im Anschluß gingen wir wieder obligatorisch zu Rajas Familie und aßen dort. Alle Bemühungen mit dem Essen bis zum Eintreffen bei Birats Familie zu warten, schlugen fehl.
Bereits auf dem Fest lernten wir Rajas Bruder Gopal kennen. Dieser ist Chirurg im Krankenhaus von Bhaktapur, welches eine Transplantationsstation hat. Er bot uns an das Krankenhaus zu besuchen und da uns schon beim ersten Besuch in Bhaktapur, als wir an diesem Krankenhaus vorbei fuhren, interessierte wie Transplantationsmedizin in Nepal funktioniert, willigten wir ein. Hierüber werde ich nochmal ausführlich in einem gesonderten Beitrag berichten, damit die Nicht-Mediziner sich nicht langweilen und die Mediziner eine nicht zu knappe Schilderung bekommen.
So viel vorweg: Der Hin- wie auch der Rückweg war eine unserer interessantesten Erfahrungen bisher…