Heute Mittag besuchten wir die zum Scheer Memorial Hospital gehörende Grundschule. In der Vergangenheit waren dort zunächst nur die Kinder der hier tätigen Missionsärzte unterrichtet worden aber mit der Zeit hatten immer mehr nepalesische Eltern gefragt, ob sie ihre Kinder nicht auch schicken könnten, damit diese dort Englisch lernen und so gibt es mittlerweile ca 100 Kinder im Alter von 3 bis 10 Jahren die dort zur Schule gehen.
K. hatte hier bis vor einiger Zeit als Englischlehrerin gearbeitet, aber das Gesetz sieht vor, dass Jobs nach 5 Jahren an Einheimische vergeben werden müssen, falls es geeignete Kandidaten gibt – und junge gut englisch sprechende Nepalis gab es dann zu genüge – so dass sie nun dort nur noch als Volunteer arbeitet und jeden Mittag die Bibliothek der Schule betreut.
Als wir ankamen wurde „K. Mam“ in der Turnhalle, die das Zentrum des Gebäudes darstellt, um das herum die Klassenzimmer angeordnet sind, sofort von einer kreischenden und strahlenden Horde Kinder umarmt. Auch uns klammerte sich der ein oder andere kleine Fratz ans Hosenbein oder nahm uns bei der Hand und folgte uns durch die Turnhalle. Einer der älteren Jungs präsentierte gleich stolz seine Englischkenntnisse und begrüßte uns – nicht ohne einen gewissen Pomp in seinem Auftreten und seiner Stimme – mit den Worten „Hello and welcome to Nepal! Where are you from?“ Bei soviel Aufregung über unseren Besuch konnten wir uns kaum losreißen um die Schulleiterin zu begrüßen und danach K. in die Bilbliothek zu folgen.
Deren Bestand setzt sich hauptsächlich aus Büchern zusammen, die von früheren Missionaren, die mit ihren kleinen Kindern hier gelebt hatten, zurückgelassen worden waren und umfasst Bilderbücher und erste Leseübungen für die Kleinen sowie „Die Fünf Freunde“ oder Dinosauerierbücher für die Älteren. Viele der Bücher mussten im Laufe der Jahre geklebt und repariert werden und K. hat mittlerweile den Großteil sortiert und nach Themen geordnet.
Auf der Legende zur Sortierung der Bücher ist noch das Genre „Bible Books“ zu finden. Diese sind jedoch mittlerweile im hintersten Regal untergebracht und können nicht mehr ausgeliehen werden, da Glaubenslehre in Nepal wohl offiziell nicht gestattet ist (Ich habe allerdings nicht ganz verstanden ob dies für jede Art von Religionsunterricht in der Schule gilt oder sich dies nur auf Religionen außer dem Hinduismus bezieht). Das war zwar auch früher schon so, wurde jedoch geduldet; seit einiger Zeit werden die Gesetze aber strenger durchgesetzt.
Jeden Mittag von 13-14 Uhr kann eine bestimmte Gruppe Schüler Bücher ausleihen kommen (mit einem Erlaubnisschreiben der Eltern welches stolz präsentiert wird) und für eine Woche behalten. Jeder der ein Buch ausleiht, schreibt seinen Namen gewissenhaft in ein Heft, in dem Titel und Ausleihdatum festgehalten werden und wer sein Buch rechtzeitig zurückbringt bekommt einen Cookie. Heute waren die Erstklässler dran und durften sich aus ihrem Regal etwas aussuchen, Mittwochs die 3. und 4. Klasse etc.
Nachdem die Bibliotheksstunde vorbei war besuchten wir noch die „Nursery“ in der die ganz Kleinen den Tag über spielen und malen können und den Kindergarten, in dem schon erste Schreibübungen gemacht werden (mit 3-4 Jahren!).
Die Jüngsten trugen ihre normalen Klamotten aber die älteren Kinder in der Schule trugen alle Schuluniformen. Wenn über den Sinn oder Unsinn von Schuluniformen diskutiert wird, fallen oft die Argumente von Gleichheit vs Ausdrucksfreiheit der Persönlichkeit. Hier in Nepal ist zu beachten, dass für viele Familien das Kastensystem noch hohe Bedeutung hat. Einige Angestellte der Schule erzählten uns jedoch, wie manchmal zu beobachten sei, dass Eltern ihre Kinder von anderen wegziehen und diesen den Umgang und das Spiel mit anderen Kindern verbieten, weil diese einer niedrigeren Kaste angehören. Oft wäre die Kastenzugehörigkeit an der Kleidung der Kinder zu erkennen, sodass die Schuluniformen diese sozialen Unterschiede ein wenig kaschieren. Allerdings ist oft auch aus dem Namen die Kastenzugehörigkeit abzuleiten.
Die Klassenzimmer sind wie bereits beschrieben um eine große Turnhalle herum angeordnet, die als eine Art Schulhof dient, auf dem die Kinder in den Pausen spielen können. Auf dem Rasen vor der Schule steht aber auch noch ein Klettergerüst mit Rutsche, falls es jemanden hinaus in die Hitze zieht. Im Winter allerdings finden der Unterricht nur in den Zimmern auf der Nordseite der Schule statt, in die tagsüber die Sonne hereinscheint, das es in den anderen Zimmern teilweise so kalt wird, dass der Unterricht nur in Schal und Handschuhen auszuhalten ist.